Eine Patientin sagte in einem Therapiegespräch zu mir: „Es geht mir schon so viel besser die meiste Zeit. Wenn nur die düsteren Tage jetzt nicht noch schwerer auf mir lasten würden!“

Zuerst fragte ich sie, warum sie sich so belastet fühlt, wenn die Tage nicht so hell und freundlich sind, wie sie es erwarte. Sie meinte, dass sie ja jetzt wüsste, wie sich gute Tage anfühlen.

Darauf hin stellte ich die entscheidende Frage: „Erwarten Sie, dass fortan jeder Tag positiv und hell sein muss?

Selbstverständlich erfolgte umgehend die Antwort: „Nein, natürlich nicht. Das gibt es ja nicht.“

„Also“, so fragte ich, „warum darf es dann keine düstere Tage bei Ihnen im Leben geben?“

Wer kennt Sie nicht, die düsteren Tage?

Ich für meinen Teil glaube, dass es keinen Menschen auf der Welt gibt, der nicht bereits solche Tage erlebt hat: Eine schwarze Wolke hängt über einem, während die Sonne um die Wolke herum scheint.

Egal was ich tue oder unternehme, die Wolke scheint zu folgen. Ganz penetrant und lästig.

Irgendwann gebe ich auf und lasse mich pudelnass regnen. Es hat ja sowieso keinen Sinn etwas ändern zu wollen.

Für mich scheint die Sonne nicht.

Und da stehe ich, tropfnass bis auf die Haut und zerfließe in Selbstmitleid.

Warum geht es anderen besser als mir?
Da drüben die Nachbarin, die hat nicht diese Probleme mit den Arbeitskollegen und dem Chef.
Die Freundin, die sich nicht mit den drückenden Sorgen einer Selbständigkeit herumschlagen und sich abrackern muss, wie sie die nächste Rechnung bezahlen soll.
Der Kumpel, der nicht diese zermürbenden wiederkehrenden Rückenschmerzen hat und deren sich kein Arzt dieser Welt mehr annimmt.
Die Schwester, die nicht unter einer solchen Einsamkeit wie ich leidet. Sie hat ja all die Freude und Freunde für sich gepachtet.

Diese Gedanken sind für einen an den schlechten Tagen real.

Sich als Opfer zu fühlen, das fällt uns einfach und ist auch eine naheliegende Reaktion auf eine Welt, die uns nicht fair und gerecht erscheint. Manchmal sind wir auch Opfer, ganz real.
Wenn die Arbeitskollegen mobben. Wenn die Nachbarschaft hinterrücks über einen lästert. Wenn der Kumpel die besten Chance, die man ihm anvertraut hat, einfach so wegschnappt.

Aber hilft uns die Opferrolle weiter, wenn wir wieder aus diesem schwarzen Loch herauskommen wollen, das uns immer mehr in die Tiefe zu ziehen droht?

Ich glaube nicht. 

Eine schöne Weisheit von Frau Dr. Edith Eger (eine meiner Lieblingspsychologinnen und Ausschwitz-Überlebende) lautet in Kurzfassung: Willst Du Opfer oder Überlebender sein? Du hast die Wahl.
(Im Übrigen auch eines meiner Leitmotive).

Sie meinte auch, dass man sich oft nicht bewusst ist, dass man aus der Opferrolle auch schnell in die Täterrolle wechseln kann. Ich denke, das ist nicht unbedingt erstrebenswert.

Willst Du Opfer oder Überlebender sein? Du hast die Wahl!

Beim Gespräch mit meiner Patientin ist mir auch die Opferrolle eingefallen, die wir oft für uns selbst festhalten. Denn das ist eine Wahl. Opfer sein, das kann man nicht immer unbedingt verhindern, doch Edith Eger sagt, dass wir alle die Wahl haben , ob wir diese Opferrolle annehmen und uns somit selbst einsperren (gedanklich) oder nicht.

Meine Patientin hat mir tatsächlich auf meine Frage, warum es keine düsteren Tage geben darf, geantwortet: „Weil ich diese nicht will.“

Bei der Rational-emotiven Verhaltenstherapie geht es darum, irrationale und vor allem absolutistische Forderungen ans Leben aufzudecken und diese dann kognitiv umzustrukturieren. So wird der Druck herausgenommen und die Irrationalität, also das unangemessene Denken in ein rationales, also hilfreiches, angemessenes und zielführendes Denken gewandelt.

Nur weil ich etwas nicht möchte, heißt das nicht, dass es so sein muss. Manchmal (oder vielleicht ziemlich häufig) geht ein Wunsch einfach nicht in Erfüllung. 

Das galt es nun in der Therapie miteinander zu erarbeiten. Und vor allem die Erkenntnis, dass diese unangemessenen Gedanken zu einem ungesunden Gefühl, in ihrem Fall die Depression, führen. Und nicht, wie ursprünglich angenommen, die düsteren Tage.

Und manchmal, so kam im weiteren Gespräch heraus, braucht es auch die düsteren Tage, um die hellen Tage wieder zu schätzen!

Professionelle Hilfe um diese gesündere Denkweise zu erlernen, finden Sie bei einem ausgebildeten REVT Therapeuten in Ihrer Nähe oder Sie vereinbaren einen Termin bei mir in der Praxis.